Selbstverständnis
„save space e.V.“ hat sich als Verein zur Förderung von Demokratie und Pluralität auf der Grundlage einer gesellschaftskritischen Perspektive gegründet, welche auf den wissenschaftlichen Erkenntnissen in Bezug auf hierarchischen Geflechten und deren negativen Auswirkungen aus das Miteinander im Sinne unserer gemeinsamen Werte basiert. In diesem Sinne steht allen Definitionen eine Auslegung von Begrifflichkeiten voran, die aus Diskursen aktueller Debatten und der „Critical Race Theory“ entstanden und von den Gründer:innen interpretiert worden sind.
Wir erkennen an, dass es entgegen den Werten und Zielen unserer demokratischen Gemeinschaft hierarchische Strukturen in der Gesellschaft gibt, die auf Basis ungleicher Verteilung von Privilegien und künstlicher Segregation von Menschen in Gruppen die Gleichwertigkeit von Menschen in Absprache stellen, indem sie Menschen auf Basis ihrer Sozialisation, ihres sozio-kulturellen Hintergrundes, ihres Geburtsortes, Genders, assoziierten Geschlechts, ihrer Neurodiversität, ihrer physischen Abilität, ihres formalen Bildungsstandes, ihres ökonomischen Status oder vieler weiterer möglicher Faktoren Wert zu- oder abspricht.
Wir erkennen an, dass Menschen nicht eindimensionale Gebilde, sondern facettenreiche Persönlichkeiten und Individuen sind, deren Individualität sich durch die einzigartige Kombination ihrer verschiedenen Identitätsanteile ergibt. Daraus ergibt sich für uns, dass Menschen als intersektionaler Identitäten in unserer Gesellschaft existieren, die aufgrund dessen von intersektionaler Diskriminierung betroffen sind.
Diskriminierung definieren wir nicht als individuelle Erfahrung, sondern vielmehr die individuelle Erfahrung als Ausdruck struktureller Diskriminierung.
Als Organisation verstehen wir unsere Rolle darin, Zugänge zu Ressourcen zu schaffen, von denen von intersektionalen Gewaltverhältnissen Betroffene strukturell ausgeschlossen oder benachteiligt sind. Dies wollen wir tun, indem wir in unseren eigenen Strukturen die Veränderung leben, die wir uns in der Gesellschaft wünschen, um so physische und digitale Räume zu schaffen, in denen mehrfachmarginalisierte Menschen, Gruppen und ihre Selbstorganisationen den Fokus auf Ermächtigungs-, Heilungs-, Professionalisierungsprozesse legen können. Durch die verschiedenen Gruppen und Initiativen, die sich in save space organisieren, tritt save space immer dort als Selbstorganisation auf, wo die Organisation als Sprachrohr der in ihr organisierten Mitglieder als solches genutzt wird. Dabei ist unabhängig von formaler Organisation des Vorstandes klar, dass jene Gruppen sich selbst vertreten, welche vom kontextbezogenen Anlass betroffen sind, der eine Intervention, Kollaboration oder sonstige Form der Sichtbarkeit erforderlich macht.
In save space e.V. haben sich verschiedene Individuen, Initiativen und Vereine organisiert. Rom:nja, Sinte:zze, Jüdische und Schwarze Menschen gehören hierzu genauso wie Kopt:innen, Yezid:innen, Muslim:a und Alevit:innen, neurodivergente Persönlichkeiten genauso wie behinderte Menschen. Wir verstehen die Strukturen unserer Organisation als Werkzeug, dass Solidarität stärkt, wo Zugänge durch gemeinsame Strukturen für eine Vielzahl von Interessen und Bedürfnissen generiert werden. Wir verstehen die Leitung unserer Organisation als operative Leitung, nicht als repräsentative für die Stimmen aller in uns organisierter Lebenswirklichkeiten.
Die in uns organisierten Initiativen, Individuen, Organisationsformen – und vor allem Lebensrealitäten -können und werden stets und ausschließlich von jenen vertreten, die von ihnen betroffen sind.
Wir sehen es als unsere Verantwortung, Privilegien, die in unseren Reihen vorhanden sind, zu teilen und abzugeben, genauso wie wir es in unserer Verantwortung sehn, die Abgabe und Aufgabe von Privilegien zu fordern, wo immer es im Interesse der hier beschriebenen Werte und Gesellschaftsvorstellungen notwendig ist.
Visionen
Wir streben danach, der gesellschaftlichen Ungleichverteilung von Macht und Zugängen zu Ressourcen mit unserer Arbeit aktiv entgegen zu wirken. Wir sind der Überzeugung, dass Betroffene stets selbst Expert:innen für ihre eigenen Lebensrealitäten sind und als solche die höchste Kompetenzen für die Formulierungen von Lösungen sind. In diesem Sinne verstehen wir die Reallokation von Ressourcen in Richtung jener, derer Lebensrealitäten von intersektionalen Gewaltverhältnissen geprägt sind, als gesamtgesellschaftlichen Motor für Innovation und Fortschritt – hin zu einer Gesellschaft, in welcher gleichberechtigte Partizipation und Teilhabe für alle überhaupt ermöglicht wird.
Die Befähigung zur Akquisition und Rückaneignung von Ressourcen und Zugängen zu Macht, den Aufbau von Kompetenzen des Widerstandes gegen Verhältnisse der Unterdrückung, die Professionalisierung einzelner Akteure und Kollektive, ihre Sichtbarmachung und Vernetzung, die Fokussierung auf eigene Bedürfnisse wie dem Befürfnis nach Heilung, Selbstermächtigung und/oder Anhäufung transgenerationalem Kapitals, gesammelt unter dem Begriff des gruppenbezogenem, individuellen sowie kollektivem “Leadership” – Prinzips, sehen wir als wichtigstes Tool zum Empowerment mehrfachmarginalisierter Gruppen und Individuen.
Die Vision einer barrierearmen, inklusiven, solidarischen, gewaltbefreiten Gesellschaft ist unser Ziel. Humanität, Equity-Prinzipien und queerfeministische Ideale und Werte verstehen wir als unabdingbares Grundverständnis für die Entwicklung hin zu einer solchen Gesellschaft. Wir sind der Überzeugung, dass nur durch das Prinzip die Bedürfnisse mehrfachmarginalisierter Perspektiven in den gesamtgesellschaftlichen Fokus politischer Debatten und Entscheidungsfindungen zu stellen – wie von der Professorin und Menschenrechtsaktivistin Kimberlé Crenshaw formuliert – die Bedürfnisse aller Gesellschaftsgruppen angemessene Berücksichtigung finden können.
Wir verstehen die Ursachen für Ungleichheit als eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung, für die holistische Lösungsansätze gefunden werden müssen. Die Übernahme von Verantwortung durch die Dominanzgesellschaft und die Aufarbeitung von Ursachen innerhalb dominanzgesellschaftlicher Kultur- und Identitätsvorstellungen kann aus unserer Sicht nur durch offenen, ehrlichen Dialog und die Förderung eines von Empathie geprägtem Miteinanders entstehen.
Der Beitrag zur Schaffung wissenschaftlicher Grundlagen im Sinne einer dekolonialisierten Auffassung von Wissensproduktion und Wissenschaft ist in unserem Verständnis nicht nur unverzichtbar für die Förderung der Inklusion von Perspektiven aus mehrfachmarginalisierten Gemeinschaften, sondern Grundlage der Schaffung von Dialogräumen, die auf einer gemeinsamen Wirklichkeit basieren. Nur so können im Austausch Vorstellungen von Zukunft und Innovation entstehen, die nicht auf Prinzipen der ungleichen Verteilung von Macht und Ressourcen erbaut werden.
Um Perspektiven und nachhaltige Lösungen zu entwickeln sehen wir es als notwendig an gesellschaftliche Herausforderung systemisch und ganzheitlich zu betrachten. Die ungleiche Verteilung von sozio-ökonomischer Macht und das Bestehen von strukturellen Gewaltverhältnissen verstehen wir als Ausdruck einer untrennbaren gegenseitigen Relation von Phänomenen wie beispielsweise Klimakrise, Artensterben, Kriegen und Fluchtbewegungen. Wir verstehen deshalb, dass in einer Zukunft, in der gleichberechtigte Teilhabe und Inklusion vollständig umgesetzt sind, dies nicht nur eine Auflösung eines einzelnen Benachteiligungsstranges beinhalten muss, sondern vielmehr bedeuten muss, dass die Stimmen der bisher Ungehörten in allen gesellschaftlichen Diskursen, und mit Nachdruck in den zukunftsweisenden von Umweltpolitik bis zur Digitalisierung und der Entwicklung neuer Technologien sichtbar vertreten sein und mit Entscheidungs- und Mitbestimmungsgewalt befähigt sein müssen.
Durch unsere Arbeit wollen wir einen nachhaltigen Beitrag leisten, von dem alle Mitglieder der Gesellschaft langfristig profitieren und in ihrem demokratischem Selbstbewusstsein gestärkt werden.